Speisen und Beilagen in Kombination

Siderbord

ESSEN UND CIDER – EINE GUTE KOMBINATION

Über Geschmack lässt sich streiten

Die Aussage, dass eine spezielle Speise zu einem ganz speziellen Typ Getränke passt, hört sich auf den ersten Eidruck besserwisserisch an. Selbstverständlich dürfen alle genau das essen und trinken, was sie möchten und was ihnen schmeckt, aber es gibt einige sensorische und analytische Aspekte, die man beachten kann, wenn man möchte, dass das ausgewählte Getränk extra gut zur Mahlzeit harmonisiert. 

Das Ziel ist es ein geteiltes Geschmackserlebnis im Mund zu erlangen, wenn man den so möchte. Also dass der Cider und das Essen gleichgestellt werden, und sich gegenseitig ergänzen und zusammenspielen.

Der Star, nicht der Statist

Das Dinge Platz einnehmen und Platz bekommen, ist wichtig. Stellen Sie sich einen Ciderbauern vor, der alles dafür gegeben hat, den perfekten Cider zu produzieren, nur um dann von einem gesalzenen und kraftvollen Blauschimmelkäse in die Ecke gedrängt zu werden. 

Der Fehler liegt nicht im Aroma in dieser Kombination – Blauschimmelkäse und Apfelaroma harmonisieren nämlich ausgezeichnet miteinander. Jedoch stimmt das Mundgefühl nicht. 

Der Käse hat gerne einen Fettgehalt von 40%, und zusammen mit der Komplexität des Reifungsprozesses und der Behandlung mit Schimmelpilzen wird der Käse so kraftvoll im Geschmack, dass er alles andere in den Schatten stellt. 

Der Cider wird plötzlich zum Statisten – man könnte genauso gut ein paar Trauben dazu servieren.

Aroma

Um Speisen und Getränke gelungen zu kombinieren, muss man eigentlich nur aufmerksamer schmecken, wie normal, so dass man herausfinden kann, nach welchem Geschmack man eigentlich sucht. 

Der Geschmack beginnt paradoxerweise mit dem Geruchssinn. Das Aroma (der Duft) spielt eine geringere Rolle wie das Mundgefühl und wird gerne als Wegweiser benutzt, um aufzuzeigen welche Soße oder welches Zubehör zu einem Gericht passt. 

Die Nase ist also für das Aroma zuständig. Im Mund können wir das Aroma nicht wahrnehmen. Die Zunge kann nur süß, salzig, sauer, bitter und umami schmecken. Wenn wir etwas im Mund „riechen“, ist es ausschließlich die Wärme im Mundraum, die die Flüssigkeit verdampft, was wiederum das Aroma freigibt und in unsere Nase auf dem „Hinterweg“ zieht.

Geschmack und Mundgefühl

Zusätzlich zu süß, sauer und bitter, kann man noch mehr im Mund wahrnehmen, dass speziell für den Cider wichtig ist, nämlich Fülle, Fruchtkonzentration und Struktur. Diese Elemente nehmen Platz in der Mundhöhle ein, und wie wir wissen, je mehr physischen Platz der Cider einnimmt, desto mehr herausfordernde Speisen kann er bezwingen. Die Konzentration ist schlichtweg wie konzentriert der Geschmack nach Obst wahrgenommen wird. 

Das wir Fülle von der Süße und von der Fruchtkonzentration erhalten, ist einleuchtend, aber die wenigsten denken daran, dass auch der Alkoholgehalt ein fülliges Erlebnis im Mund erzeugen kann. 

Die Kombination von Süße, Konzentration und Alkohol nennt man oft das „Gewicht“. Die „Struktur“ ist etwas anderes, sie bekommen wir oft durch die Gerbstoffe, die Kohlensäure und manchmal auch durch die Säure, wenn diese im Mund mit der Fruchtkonzentration zusammenfällt. 

Die Benutzung eines Eichenfasses und die Zugabe von Hopfen oder ganzen Beeren verleiht dem Cider mehr Struktur.

Säure

Nachdem der Mundraum die Fülle und die Struktur des Ciders erfasst hat und die Nase damit zufrieden ist, dass der Cider zum Aroma des Essens passt, ist es Zeit für den Abgang des Ciders – nämlich den Säuregrad. 

Die meisten Köche sind am Säuregehalt interessiert. Der Grund dafür ist, dass sie wissen, das Säure den Geschmack verlängert, und dass ein langer Nachgeschmack (Abgang) das Gericht kraftvoller macht und man es eher in Erinnerung behält. 

Das gleiche gilt auch für den Cider, und die meisten Ciderproduzenten versuchen daher eine Frische im Cider zu erreichen, ohne dass er seine Balance verliert. Keiner möchte einen sehr sauren Cider ohne jegliche Fülle und Konzentration herstellen. 

Wenn wir also vom Säuregehalt sprechen, meinen wir den Nachgeschmack. Im Essen kann man es mithilfe von Citrus, Beerensäure oder laktische Säure von Joghurt oder ähnlichem erzielen. Die Säure im Cider kommt meistens aus einer malolaktischen Apfelsäure – die gleiche Säure, die man auch im Apfelessig findet.

«Natürlicher Cider»

Wie bereits erwähnt meinen wir fast immer einen trockenen Cider, wenn wir über einen sogenannten spontangegoren Cider sprechen, oder auch ein „zusatzfreier“ oder „natürlicher“ Cider. 

Ein geringes Restsüßeniveau, aber mit einer gut entwickelten Mittpartie aufgrund der längeren Lagerungszeit auf dem Bodensatz, ist genau das, was wir meinen, wenn wir den Solhøi Cider „Flytende solskinn“ trinken. 

Vergleichbar mit einem belgischen Sauerbier, passt diese Art von trockenem und säuerlichem Mundgefühl ausgezeichnet zu einer cremigen Suppe oder einem typischen Eintopf mit Fleisch eingekocht mit Cider. 

Wir haben uns dennoch für ein asiatisches Gericht entschieden und haben eine selbstgekochte Variante eines klassischen und sehr geschmackvollen Schweinefleisches in süßsaurer Soße zubereitet. Das Gericht besteht aus Nackenkoteletts mit einer tomatisierten Soße aus Honig und Essig, Ingwer und Chili. 

Solhøis „Flytande Solskinn“ hat, obwohl er sehr trocken ist, überhaupt kein Problem ein ausgezeichneter Begleiter zu diesem intensiven Gericht zu sein. Zusätzlich dazu, dass er etwas Chili ohne Samen gut meistert, hebt er auch den Geschmack des charterstarken Schweinefleisches im Gericht hervor. Die Frucht kommt deutlich im Mundgefühl heraus und der Säuregrad harmonisiert zu der Essig-basierten Soße.

Hardanger Cider

Wenn man über den Cider von der Hardangerregion spricht, denkt man oft gleich an traditionelle Hausmannskost, aber das Beste zu dieser Art Cider ist eigentlich, außer Fisch und Schalentiere natürlich, aromatische, geschmacksreiche und süße Gerichte wie Sushi und asiatische Speisen. 

Cider aus Hardanger ist ein geografisch geschützter Begriff, aber das bedeutet nicht, dass alle den gleichen Cider herstellen. Olav Bleie von Alde Sider ist zum Beispiel einer derjenigen, der in den letzten Jahren den „herkömmlichen“ Ciderstil mit 6-7,5% Alkohol und etwa 20 Gram Restsüße verlassen hat und neue Wege eingeschlagen hat mit Cidersorten, die um einiges trockener sind. Wir probieren diesen, aber auch den Spilde Aroma 6,5% „Medium“ Cider, der viel mehr Süße enthält. 

Zum Alde Cider servieren wir einen klassischen ofengebacken Dorsch mit einer Buttersahnesoße (Sandefjordsmør). Die Struktur des Gerichtes ist niedrig, aber der Fettanteil hoch. Alde Cider ist bekannt für seine durchdringende Intensität und ist ein eleganter Cider mit einem hohen Säuregehalt, der gut eine mächtige Soße bezwingen kann. Die Kombination zu diesem cremigen Fischgericht war gelungen und der Cider wird auch zu jeglichen anderen Fischgerichten oder Meerestieren gut passen, außer zu Gerichten mit viel Chili. 

Zu dem Spilde Cider wählten wir ein cremiges Geflügelgericht, ein Frikassee, für all diejenigen, die sich an die 80er Jahre erinnern können. Wir bereiteten unser Frikassee mit einer ökologischen Hähnchenbrust zu, eingekocht in einer cremigen Soße, aber man hätte genauso gut auch ein Schneehuhn oder einen anderen Wildvogel in den Topf geben können. 

„Spilde Aroma“ hat überhaupt kein Problem sich gegen das Fett oder den Geschmacksreichtum im Gericht zu behaupten. Die Süße des Hähnchens wird durch die Süße im Cider verstärkt. Eingemachte Zwiebel als Beilage würden die Säure verstärken und dabei helfen den Nachgeschmack des Ciders hervorzuheben.

Rosecider

Nichts schreit höher nach Fest und Aperitif als ein Rosecider, und daher ist es eine natürliche Wahl ihn zu Aperitif-Häppchen zu servieren.

Kanapee kann man selbstverständlich auch servieren, wenn man einen Botschafter oder den Staatsminister erwartet, aber Rosecider, und da gerne einer mit Kohlensäure, wäre auch ein guter Begleiter zu geschmacksintensiveren Gerichten wie Schinken, Wurst und reifer Käse, im Gegensatz zu den Supermarkt-Cider. 

Attåts „Eple og bringebær» hat genau die vorgeschriebenen 20 Gram Restsüße, um das gesalzene und das geschmacksreiche Essen zu vervollständigen. Zusätzlich hat er einen verstärkten Säuregehalt durch die Himbeeren, welcher hilft durch das Fett der lokalen Tind-Würste und den Salzgehalt des Schinkens hindurchzudringen. 

Der Cider wurde auch zu geräuchertem und reifem Fisch probiert, aber dieser Geschmacksreichtum war zu groß für diese Cidersorte. Wenn man es dennoch versuchen möchte, dann empfehlen wir die Fischmasse mit etwas Sauerrahm oder Kartoffeln zu vermischen oder etwas ähnliches, um die Intensität des Gerichtes zu mildern. 

Cider, hergestellt aus Cideräpfeln

Cider, hergestellt aus Cideräpfeln, enthalten mehr Gerbstoffe und Tannin als Cider aus Tafeläpfeln. Das erfordert Speisen mit mehr Struktur. 

Mehr strukturierte Mahlzeiten bestehen gerne aus Fleisch, aber mit Fleisch, und vor allem gebratenes Fleisch, das zusätzlich auch noch warm serviert wird, braucht man auch mehr Fülle im Cider – eine Fülle, die man nicht mit 8% Alkoholgehalt und 18 Gram Süße abdecken kann. 

Zum Glück gib es Mahlzeiten mit Struktur, die viele Cider mit weniger Struktur keine Schwierigkeiten bereiten zu begleiten, nämlich Brotmahlzeiten. Brot hat eine hohe Struktur – was für viele ziemlich überraschend ist, bis sie dann erleben, wie es den ganzen Platz auf dem Teller einnimmt. 

Inspiriert von dem englischen Gericht „ploughman’s lunch“, bereiteten wir uns ein gegrilltes Sauerteigbrot mit Bacon, Sauerkraut, Mayonnaise und Senf zu, welches perfekt zu der Struktur im „Sognefjord Still Matsider“ von Balholm passt. 

Die Struktur des Ciders sorgt dafür, dass die Frucht lange genug gehalten wird, um den geräucherten Speck zu ergänzen. Das Sauerkraut und die Essiggurken schaffen einen geschmackvollen Rahmen für das Erlebnis und helfen dabei das Säuerliche im Cider zu verstärken.

Cider mit Zusatz – Hopfen

Joar Aga hatte großen Erfolg und begeisterte viele, als er den Hopfencider „Humlepung“ lancierte. 

Ungeachtet was man davon hält, ob man nun einen Cider mit dem ein oder anderen versetzen soll oder muss, ist der Zusatz von Hopfen im Cider eine Sache, die das Mundgefühl verändert. 

Der Hopfen füllt den Mund mit Struktur und hat aber nur Erfolg, wenn genügend Frucht und Konzentration im Cider vorhanden ist, um ihn auszubalancieren. Der größte Vorteil von Hopfen ist, dass er dazu beiträgt die Frucht im Cider hervorzuheben, wenn man eine Mahlzeit mit viel Struktur zu sich nimmt. 

Die norwegische Hausmannskost „Hakkasteik“ ist gemischt, teilweise geräuchertes Fleisch mit Gerstengraupen, die eine deutliche Struktur im Mund erzeugen. Sie wird traditionell mit Kartoffeln und Wurzelgemüse serviert. Wir haben dem Gericht noch etwas von der Wurst „Vossakorv“ und rote Bete hinzugefügt. 

„Humlepung“ ist ein mächtiger und maskuliner Cider, der viel Platz einnimmt. Sowohl die Restsüße als auch die Struktur ist hilfreich, wenn wir das Gericht essen. Die Gefahr bei dieser Hausmannskost ist oftmals, dass die Säure fehlt. Das ist wichtig auszugleichen, wenn man Erfolg mit dem Cider haben möchte. 

Man kann eigemachtes Gemüse dazu servieren, wie sie das auch zuhause auf dem Hof Agatunet tun. Oder man kann es machen, wie wir und einen kräftigen Senf dazu servieren. Der Senf mit seiner Schärfe und Säure hebt wirklich den Nachgeschmack des Ciders hervor und ist ein wichtiger Faktor dabei, dass wir balancemäßig mit unserer Kombination ins Ziel kommen. 

Zum Glück gib es Mahlzeiten mit Struktur, die viele Cider mit weniger Struktur keine Schwierigkeiten bereiten zu begleiten, nämlich Brotmahlzeiten. Brot hat eine hohe Struktur – was für viele ziemlich überraschend ist, bis sie dann erleben, wie es den ganzen Platz auf dem Teller einnimmt. 

Inspiriert von dem englischen Gericht „ploughman’s lunch“, bereiteten wir uns ein gegrilltes Sauerteigbrot mit Bacon, Sauerkraut, Mayonnaise und Senf zu, welches perfekt zu der Struktur im „Sognefjord Still Matsider“ von Balholm passt. 

Die Struktur des Ciders sorgt dafür, dass die Frucht lange genug gehalten wird, um den geräucherten Speck zu ergänzen. Das Sauerkraut und die Essiggurken schaffen einen geschmackvollen Rahmen für das Erlebnis und helfen dabei das Säuerliche im Cider zu verstärken.

Supermarktcider

Einer der Pioniere in Hardanger ist Asbjørn Børsheim, der mit seinem Cider aus Ulvik oftmals einen eleganten, säurefrischen und weniger süßen Stil fährt. 

Der Supermarktcider „Gravenstein Musserande“ ist mit Kohlensäure versetzt und hat eine Restsüße von nur 11 Gramm, was einen relative trockenen und eleganten Cider ergibt, der eigentlich kilometerweit entfernt von den Dosengetränken im Supermarkt stehen sollte. 

Geringer Alkoholgehalt begrenzt den Gebrauch von Cider zum Essen, was übrigens auch für Bier gilt. Aber das bedeutet nicht, dass ein geringprozentiger Cider keinen gastronomischen Wert hat. 

Ein toller Aperitif zu diesem Cider ist ein milder Kuhmilchkäse wie zum Beispiel der Käse „Ung fanaost“, der unter einem Jahr alt ist. Ein junger und relativ schlanker Käse passt ausgezeichnet zu einem Supermarktcider, gerne serviert mit einem Klecks nicht zu süßem Apfelchutney. Servieren Sie den Käse allein und ohne Kecks oder Brot. 

Eiscider

Edel war lange allein mit der Eiscider-Technologie in Norwegen, aber in den letzten zwei Jahren hat er Konkurrenz von Olav Bleie von Adle Sider bekommen. 

Cryoextraction ist eine Technik, bei der man den Saft durch Gefrieren konzentriert. Die Methode eröffnet eine fantastische Welt an komplexen und konzentrierten Geschmäckern, die unsere besten und nationale Nachspeisen wieder glänzen lassen. 

Eiscreme mit säuerlichen Beeren- und Fruchtelementen, entweder frisch oder wärmebehandelt passt ausgezeichnet zu Eiscider.

Blauschimmelkäse, Crème brûlée oder eine komplexe Nachspeise mit Schokolade und Nüssen ist eine schwierigere Kombination, aber man kann die Menge und die Intensität anpassen. Ein Tipp ist, Croûtons mit Nüssen zu vermischen, wenn man mit etwas knackigem das Dessert beleben will. Ein anderer Tipp ist Blauschimmelkäse mit einem milderen Frischkäse aufzuschlagen, wenn man diesen Weg gehen möchte. 

Edel issider mit seiner Süße und seiner wahnsinnigen Konzentration ist ein herrlicher kulinarischer Begleiter etwa zu Eis und den Pflaumen von dem Bauernhof Lutro Gard in Hardanger.

Geschrieben von Ove Svendsen - Sommelier