Älterer Cidergeschichte

DIE ÄLTERE CIDERGESCHICHTE

Der Cider hat eine lange und oft faszinierende Geschichte. Angefangen mit der Reise des Apfels aus den Wäldern in Zentral-Asien über die Seidenstraße hat der Apfel, und mit der Zeit auch der Cider, in verschiedenen großen Zivilisationen seinen Platz gefunden und seine Entwicklung angestoßen. Mit dem Christentum haben die Mönche die Idee eines Obstgartens mit in unsere Breitengrade gebracht und vor allem in den letzten 250 Jahren, seit es mehr Dokumentation um Obst- und Ciderproduktion in Norwegen gibt, immer weiter etabliert. Der Apfel – aus der Stammart Malus sierversii – ist viel älter als wir Menschen. In der sogenannten tertiären Periode, welche sich vor ca. 66 bis 2,6 Millionen Jahren ereignete, breitete sich ein enormer Waldgürtel von Nordamerikas Ostküste über die Beringstraße und den Hexi-Korridor bis ganz nach Frankreich und Spanien aus.

Et transkontinentalt skogbelte som bredte seg fra Nord-Amerika til Vest-Europa. Kilde: Juniper & Mabberley 2019: 23, kort 2.
Ein transkontinentaler Waldgürtel, der sich von Nordamerika bis Westeuropa erstreckte. Quelle: Juniper & Mabberley 2019: 23, kort 2.

Pfropfen – die Möglichkeit zur Verbreitung

Im Tian Shan Gebirge in Zentral-Asien war der Wald vor den immer wieder kommenden Eiszungen geschützt, hauptsächlich wegen den südlichen warmen Ozeanwinden im Indischen Ozean. Andere Faktoren wie Bodenbeschaffenheit, Regen, Wärme, usw. führten dazu, dass der Apfel über die Zeit gedeihen konnte. Die Verbreitung des Apfels wurde durch die großen Tiere des Waldes wie Bären, Hirsche und Wildpferden vorangetrieben. Das Wildpferd, als Dauerfresser und Wandertier, welche die Seidenstraße als Wanderroute hatten, war maßgeblich daran beteiligt, die Apfelkerne gen Westen zu verteilen. Das bedeutete, dass der Apfel seit Beginn der Landwirtschaft im 2. Jahrtausend vor unserer Zeit eine natürliche Ergänzung zur Landwirtschaft in Mesopotamien war. Die Pfropfung wurde ein notwendiger Problemlöser für die Menschen, die den fruchtbaren Boden zwischen den Flüssen Tigris und Euphrat bewirtschafteten. Pfropfung ist die Transplantation von Pflanzengewebe von der einen Apfelsorte zu ein einer ähnlichen Sorte. Durch das Pfropfen konnten die Landwirte im Gegenteil zur Aussaat von Samen viel Zeit sparen, da sie nicht drauf warten musste, bis die Pflanze auskeimte, und zusätzlich konnte man sich ganz sicher sein, welche Apfelsorte aus dem neugepfropften Baumstamm wachsen wird, und mit den Jahren die Baumkrone ausmachte.

Idéen med podning versus vegetativ forplantning som følge av frøformering er fint illustrert her. Kilde: Juniper & Mabberley 2019: 106. Tegning Rosemary Wise.
Die Idee der Pfropfung versus vegetative Verpflanzung ist hier anschaulich illustriert. Quelle: Juniper & Mabberley 2019: 106. Tegning Rosemary Wise.

Das Obst verbreitet sich in Europa

Eine sehr wichtige Entdeckung in der Geschichte des Obstes, des Apfels und des Ciders. Die Idee einen Obstgarten anzulegen, kennen wir aus unterschiedlichen geschichtlichen Aufzeichnungen, wie zum Beispiel die hängenden Gärten Babylons, aus Homers Gedicht um Odysseus Obstgarten und später aus den römischen Erzählungen. Vor allem die Römer waren sehr gut darin, Gedanken und Beobachtungen zu Papier zu bringen, daher können wir mit Sicherheit belegen, dass die Ciderproduktion offiziell im Römerreich begann. Der römische Verfasser Plinius der Ältere (23-79 n. Chr.) hat in seinem großen Werk Naturalis Historia beschrieben, wie man Obst vor und nach der Ernte behandeln sollte. Plinlius hatte seine Ansichten darüber, wie man Obst lagern sollte: in einem nordgewandten Lagerraum mit ventilierten Fenstern auf einem angehobenen Boden über kalter und feuchter Erdmasse. Gedanken, die in Norwegen erst viele hundert Jahre später relevant wurden. Dank Karl dem Großen (742-814 n. Chr.) durfte der westliche Teil Europas eine neue Friedenszeit nach einer unruhigen Zeit, geprägt durch viele Volkswanderungen nach dem Fall des Römerreiches im Jahre 476, erleben. Das hatte zur Folge, dass mehr engagierte und christliche Menschen in Ruhe arbeiten konnten und es wurden daher viele Mönchsorden gegründet, unter anderem der Cistercienser-Orden in Citeaux in Bourgogne in Frankreich im Jahre 1098. Die Mönche waren gut darin, den Boden zu bewirtschaften, waren fleißig und nicht zuletzt geschäftstüchtig. Sie siedelten sich in England an und ab Mitte des 12. Jahrhunderts auch in Teilen Norwegens. In der Region Hardanger fanden sie ein anderes Klima vor, ein milderes Klima als in Küstennähe. Diese Klimaveränderungen waren wichtig in Bezug auf den Obstanbau, da die Mönche sich bereits sehr weit nördlich befanden, 60° Breitengrad Nord, auf gleicher Linie wie Süd-Grönland, Canada, Sibirien und Regionen, die eigentlich mehr bekannt für den Permafrost waren als den Obstanbau.

Kart som på enkel måte viser hvor Hardanger ligger i langstrakte Norge. Illustrasjon Thor Oddvar Havn.
Karte, die grob aufzeigt, wo Hardanger im langestreckenden Norwegen liegt. Illustration Thor Oddvar Havn.
Dronebilde over Nå i Vikebygd (mars, 2022). De røde bygninger nede til venstre er Edel Sideri og den fine, hvite bygningen som ligger ytterst på kaiplassen er fine dining restauranten Siderhuset Ola K. Droneansvarlig: Thor Oddvar Havn.
Drohnebild von der Ortschaft Nå in Vikebygd (März 2022). Das rote Gebäude links unten ist die Kelterei Edel Sideri und das schöne, weiße Haus, das ganz außen am Kaianleger liegt, ist das schöne Restaurant Siderhuset Ola K. Drohneverantwortlicher: Thor Oddvar Havn.

Norwegisches Obst

Die Mönche und das Klosterwesen haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, den Obstanbau weiterzuentwickeln, beispielsweise die Kunst des Pfropfens. Aldehage war ein Obstgarten und apal bedeutete Apfel oder Apfelbaum. Die ersten dokumentierten Obstverkäufe in Norwegen gehen zurück auf den 02. August 1665 als Lars Amundsen Aga (1630 – ca. 1685) mit seinem Boot in Bergen anlegte und Sauerkirschen verkaufte. Gleichzeitig geschah eine Seeschlacht zwischen den Niederländern und den Engländern vor Bergen, und daher wurden Zeugen von den Behörden in Bergen vorgeladen, Lars musste dort seinen Namen angeben und erklären, warum er sich in der Stadt aufhielte. Was das Pfropfen anging, war der Landwirt Lars Larsson Bleie (1756-1827) ein Vorreiter, er lernte das Pfropfen im Jahre 1775. Er pfropfte Kirschbäume in der Ortschaft Bleie von Pfropfästen, die er vom Pfarrhof in Ullensvang erhalten hatte. Der Bauernhof Bleie war lange bekannt für seinen Kirschenanbau. Circa zur gleichen Zeit können wir über Asbjørn Måge lesen, der damit arbeitete Obst flüssig zu machen und ihm wurde für seine Arbeit eine Auszeichnung der Gesellschaft „Det Nyttige Selskap“ in Bergen im Jahre 1774 erteilt. Er hatte „einen großen Eifer bei der Pflanzung von Obstbäumen und Pfropfung gezeigt und hatte eine bequeme Maschine erfunden, um Saft aus Obst zu pressen.“ Ein anderer Harding, Gärtner, Schmied und Politiker Johannes Pedersen Aga (1767-1838) importierte 1792 zwei Gravensteinerapfelbäume nach Aga am Sørfjorden in Hardanger. Die Bäume wurden aus Hamburg von Handelsleuten in Bergen importiert und 1792 angepflanzt. Eine Apfelsorte, der es immer noch gut in Norwegen gefällt, und nur wenige andere Apfelsorten haben mehr Geld für das Land erwirtschaftet wie die Gravensteinersorten.

Knud Knudsen

Kurz nach der Unionsauflösung mit Dänemark im Jahre 1814 wurde in dem Dorf Tokheim bei der Stadt Odda ein Junge mit dem Namen Knut Knudsen Bustetun (1832-1915) geboren. Er sollte eine sehr wichtige Rolle für den Obstanbau in Norwegen spielen. Knud war schon in jungen Jahren sehr an Pflanzen interessiert, vor allem an Obstbäumen, und er eignetet sich, sobald es möglich war, mehr Wissen bei Auslandsreisen an. Deutsche Zeitschriften über den Apfelanbau behielte er sein ganzes Leben, nachdem er 1862 eine Studienreise an das Pomologische Institut in Reutlingen bei Stuttgart in Deutschland unternommen hatte. Knudsen war ein begnadeter Fotograf und dank ihm und seinem Einsatz haben wir einen guten Einblick in den damaligen Obstanbau. Selbst hatte er über 150 verschiedene Apfelsorten auf seinem Hof in Tokheim. Im 19. Jahrhundert war der Obstanbau oft ein Teil der Landwirtschaft zusammen mit der Schafhaltung und das Obst wurde daher meistens an weniger zugänglichem Gelände angepflanzt.

Der Obstanbau war anstrengend, aber der Zucker wurde «frei zugänglich“

Die Obstbäume wurden in den steinigen Teilen des Hofes angepflanzt, mussten auf sich selbst aufpassen und das Obst wurden so geerntet, wenn es reif war. Die Obstbäume damals waren viel höher als die heutigen Bäume, und wie aus den Bildern von Knudsen hervorgeht, wurden die Äpfel gepflückt und in kleine geflochtene Körbe gelegt, um dann in Heringsfässern für den Weiterverkauf aufbewahrt zu werden (Illustration 5). Der Obstanbau war eine schwere Arbeit, und die Sorgen des Obstbauern stoppten nicht mit der Ernte. Der Segelschiffstransport zum Weiterverkauf war wetterabhängig und zeitraubend, und der Preis für überreifes Obst war geringer als für frisches und knackiges Obst. Das änderte sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung des Dampfschiffes, die Obstvermarktung erleichterte sich, da ein Linienbootverkehr eingeführt wurde. Dampfangetriebene Schiffe konnten schneller eine größere Distanz zurücklegen als die Segelschiffe (Illustration 6). Das bedeutete ein größeres Einzugsgebiet und nicht zuletzt eine wachsende Umsatzmenge. Neue Zeiten brachen ein mit der Aufhebung der Handelsgesetze in den Jahren 1842 und 1857, da der Zucker nun frei zugänglich wurde. Ein wichtiger Bestandteil der Geschichte des Ciders.

Dampskipet ligger til kai på Naa lenge før kjøpmannsbutikk, boligbyggeri, skule, og fine dining har sett dagens lys. Kilde: Finn Måge, postkort i privateie.
Dampfschiff legt am Kai in Naa an, lange bevor der Laden, das Wohnhaus, die Schule und das Restaurant eröffnet wurden. Quelle: Finn Måge, Postkarte aus dem Privatbesitz.

Geschrieben von Kasper Wrem Anderson